Kontaktlinsen bei Tag und Nacht - mehr als nur ein Traum?
Ok, sehen wir der Wahrheit ins Auge: Kontaktlinsen sind ziemlich langweilig. Sie sehen nach nix aus, tragen wenig zu unserem Stil bei und sind zudem echte Gewohnheitstiere.
Text von Katja Thiede | Berlin | An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön für diesen tollen Beitrag. Es ist immer eine grosse Freude deine Texte zu lesen!
Morgens aufs Auge, abends brav in den Behälter….laaaaangweilig. Anders als das Leben, welches ja bekanntlich selten so verläuft, wie man es plant. Leben heisst Durcheinander, zu früh, zu spät, zu irgendwas, nur selten wie gedacht. Nicht wenige Menschen haben einen Lebensrhythmus, der immer ein wenig aus dem Takt ist. Denken wir an Schichtarbeitende, Menschen, die zwischen Zeitzonen pendeln oder Eltern von kleinen Kindern. Können sie überhaupt Kontaktlinsen tragen? Und wieviel Abkehr von der Routine machen die kleinen Sehhelfer mit?
Gute Sicht trotz Nachtschicht
In vielen Berufen sind Nachtschichten selbstverständlich – eine Herausforderung für den Körper, einschliesslich der empfindlichen Augen. Insbesondere der Wechsel zwischen Früh- und Spät-, Tag- und Nachtschichten stellt eine echte Belastungsprobe dar, wenn Schlaf- und Wachrhythmus durcheinandergeraten. Noch dazu sind viele Nachtarbeitende künstlichem Licht ausgesetzt; auch nicht gerade eine Wohltat für die Augen.
Wer trotzdem nicht auf Kontaktlinsen verzichten möchte, hat mit hochsauerstoffdurchlässigen Linsen ganz gute Chancen. Diese gibt es als formstabile und als weiche Varianten. Sie zeichnen sich durch eine besonders gute Verträglichkeit aus. Meistens. Denn nicht jedes Auge ist für jedes der High-End-Materialien gemacht. Umso wichtiger ist die Begutachtung durch Fachleute, also Optiker:innen. Schichtarbeitende, die sich für Kontaktlinsen interessieren, sollten gleich zu Beginn auf ihre besonderen Anforderungen hinweisen. Denn neben den Messwerten, etwa zur Form der Hornhaut oder zur Zusammensetzung des Tränenfilms, fliessen auch die Lebensgewohnheiten und Wünsche der zukünftigen Nutzer:innen in die Auswahl ein.
Aber: Selbst die modernsten Linsen sind hinsichtlich ihrer maximalen Tragedauer begrenzt. Tragt ihr sie während der Nachtschicht, solltet ihr sie tagsüber absetzen und im Aufbewahrungsbehälter lagern, auch wenn ihr euch nicht schlafen legt. Zudem ist es empfehlenswert, eine Ersatzbrille mit zur Nachtschicht zu nehmen. Sollte euch die Müdigkeit überkommen oder habt ihr – zum Beispiel bei Bereitschaftsdiensten – die Möglichkeit euch zwischendurch schlafen zu legen, setzt die Linsen ab und greift bei Bedarf zur Brille.
Problemzone: Zeitzone
Ob Flugbegleiter, Pilotin oder Beraterin – manche Berufsgruppen bewegen sich permanent zwischen unterschiedlichen Zeitzonen. Immer wieder in einem neuen Land aufzuwachen kann spannend sein, gerade bei Kurztrips aber auch sehr anstrengend. Wenn nach einem langen Tag im Flieger der Tag plötzlich noch einmal von vorn beginnt und der Körper weitere 12 oder 14 Stunden gefordert ist, kann Kaffee vielleicht den Kreislauf in Schwung halten, die schwer werdenden Augenlider jedoch nicht.
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Wer zu trockenen Augen neigt, wird das unter Jetlag-Einfluss noch deutlicher spüren. Selbst perfekt angepasste Kontaktlinsen kommen dann tendenziell an ihre Grenzen. Noch dazu nach einem langen Flug umgeben von trockener Kabinenluft. Um dem vorzubeugen, ist es ratsam, schon im Flugzeug auf die Brille umzusteigen, um die Augen zu schonen. Tragt ihr beim Einstieg noch Kontaktlinsen, nehmt auf jeden Fall eine Ersatzbrille und ein kleines, flugzeugtaugliches Pflegeset, bestehend aus maximal 100 Millilitern Pflegelösung und einem Behälter, mit an Board. Es sei denn, ihr tragt Tageslinsen, die ihr einfach im Müll entsorgen könnt
Um am Zielort möglichst flexibel zu sein, ist eine Kombination aus Brille und Tageslinsen optimal. So seid ihr auch auf etwaige Überraschungen, zum Beispiel mit Blick auf die hygienischen Bedingungen vor Ort, gut eingestellt, da ihr kaum mit euren Linsen hantieren müsst. Ob und welche Tageslinsen in Frage kommen, solltet ihr einmal grundsätzlich mit eurem Optiker oder eurer Optikerin klären. Die Ausweichlinsen könnt ihr gegebenenfalls parallel zu euren Monats- oder Jahreslinsen verwenden, wenn ihr gerade beruflich zwischen Zeitzonen pendelt.
Mit Kontaktlinsen die Nacht zum Tag machen?
Die Eulen unter den Linsenträger:innen spitzen interessiert die Ohren, wenn sie erstmals von «Nachtlinsen» (oder: Ortho-K-Linsen) hören. Sollte es etwa Kontaktlinsen speziell für die späte Stunde geben? Solche, die ich, kaum dass meine Linsen vom Tag im Behälter liegen, aufsetze, um von jeglicher Brillenlast befreit in die Nacht auszuschwärmen? – Das wäre ein Träumchen. Und genau genommen ist es das. Denn Nachtlinsen sind ebensolche Langweilerlinsen wie ihre tageslichtliebenden Pendants.
Sie funktionieren nämlich ausschliesslich beim Schlafen. Ist ihr:e Träger:in länger als einen kurzen Toilettengang wach, quittieren sie den Dienst und machen Feierabend. Verdientermassen, muss man sagen, denn während des Schlafens leisten sie Beachtliches: Sie modellieren die Hornhaut des Auges durch sanften Druck, sodass ihr tagsüber ganz ohne Brille oder Linsen scharf sehen könnt. Um diese kleinen Wunderwerke tragen zu können, müssen eure Augen kerngesund sein. Zudem solltet ihr einen stabilen Tag-Nacht-Rhythmus haben, da Ortho-K-Linsen nur dann richtig arbeiten können.
Spätestens jetzt sehe ich die müde lächelnden Gesichter frisch gebackener Eltern vor mir: Stabiler Tag-Nacht-Rhythmus?? – F*$? &%#! Doch verzagt nicht; es ist bekanntlich alles nur eine Phase und sobald der Nachwuchs durchschläft, dürfen Mama und Papa wieder von Nachtlinsen träumen oder sich diese direkt bei darauf spezialisierten Optiker:innen anpassen lassen.
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Wichtig zu wissen: Ortho-K-Linsen können sowohl Weitsichtigkeit und Kurzsichtigkeit als auch Hornhautverkrümmungen korrigieren. Und auch Ü-40-Eltern haben Grund zur Freude, denn eine beginnende Alterssichtigkeit lässt sich mit Nachtlinsen ebenfalls ausgleichen. So seid ihr tagsüber brillen- und linsenfrei und könnt euch mit vollem Körpereinsatz die nächste Rutsche runterstürzen.
Fazit: Kontaktlinsen mögen den Eindruck erwecken, als seien sie nur für Menschen gemacht, deren Leben einem festgelegten Rhythmus folgt. Bei genauerem Hinsehen (und mit kompetenter Begleitung durch eine:n Optiker:in) werdet ihr jedoch viele Optionen für eure ganz persönlichen Arbeits-, Schlaf- und Sehgewohnheiten entdecken. Manchmal liegt der Schlüssel in der Kombination aus Kontaktlinsen und Brille oder der parallelen Nutzung verschiedener Linsenarten für die Zeiten, in denen wir etwas aus dem Takt geraten.
Wer jetzt noch denkt, dass er Kontaktlinsen aufgrund besonderer Lebensumstände ohnehin nicht tragen kann, der hat definitiv eine Chance auf gutes, rahmenloses Sehen verpennt.
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